Nach can. 331 CIC/83 verfügt der Papst als Bischof von Rom über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, welche er immer frei ausüben kann. Von dieser Gewalt hat Papst Benedikt XVI. während seines fast 8-jährigen Pontifikats reichlich Gebrauch gemacht.
Spuren seines Wirkens im Recht der Katholischen Kirche
Dieser Beitrag möchte versuchen das Wirken Benedikts im Bereich des katholischen Kirchenrechts nachzuzeichnen. Dabei sollen ebenso die großen und von entsprechender medialer Aufmerksamkeit begleiteten Neuerungen, wie auch unscheinbare und daher größtenteils auch unbekannte Änderungen kurz beleuchtet und in ihren Kontext eingeordnet werden.
Liturgische Normen
Im Bereich der Liturgie rücken vor allem zwei Dokumente ins Zentrum. Nachdem Papst Johannes Paul II. 1984 mit einem Indult die Möglichkeit geschaffen hatte, in einem sehr beschränkten Rahmen den römischen Ritus nach dem Missale Romanum von 1962 zu feiern, dehnte Benedikt mit dem Motu proprio Summorum pontificum 2007 diese Erlaubnis deutlich aus. Mediale Aufmerksamkeit erregte in diesem Zusammenhang auch die Neufassung der Karfreitagsfürbitte für die Juden aus dem Missale von 1962, welche 2008 bekanntgegeben wurde.
Mit der Apostolischen Konstitution Anglicanorum coetibus wurde 2009 die rechtliche Grundlage für die Errichtung von Personalordinariaten für Anglikaner, welche in die katholische Kirche übertreten möchten, geschaffen.
Umstrukturierungen der Römischen Kurie
Wohl fast jeder Papst hat sich seit dem Bestehen der römischen Kurie zugleich auch mit ihrer Reform beschäftigen müssen. Dies erfordert doppelt vorhandene Strukturen besser zu vernetzen und einzubinden. So traf Benedikt mit dem Motu Proprio Ecclesiae unitatem 2009 die Entscheidung, die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei, welche 1988 von seinem Vorgänger Johannes Paul II. gegründet wurde, deutlich enger an die Kongregation für die Glaubenslehre anzubinden. Mittlerweile wurde diese Kommission von Papst Franziskus aufgelöst. Mit dem Motu proprio Pulchritudinis fidei wurde die Päpstliche Kommission für die kulturellen Güter der Kirche mit dem Päpstlichen Rat für die Kultur vereinigt.
Mit einem Rescriptum ex Audientia SS.mi wurden 2006 die Zuständigkeiten innerhalb der römischen Kurie für Partikularkirchen neu geregelt. 2011 erfolgten ebenfalls durch Rescriptum zwei Änderungen in den Regolamento Generale della Curia romana, welche 1992 von Papst Johannes Paul II. in Anschluss an Pastor Bonus erlassen wurden. Durch das erste Rescriptum wurde der Verfahrensweg festgelegt, mit dem Dikasterien den Papst um Sonderfakultäten ersuchen können. Mit dem zweiten Rescriptum wurde für Angestellte des Vatikans die Möglichkeit geschaffen Urlaub zu beantragen, wenn sie vor Gericht vernommen werden sollen.
Die vielen Mitarbeiter des Heiligen Stuhls erfordern eine eigene Koordination. Das Ufficio del Lavoro della Sede Apostolica (ULSA), welches 1989 von Johannes Paul II. gegründet wurde, erhielt durch Benedikt 2009 neue Statuten. Diese wurden mittlerweile mehrfach von Papst Franziskus geändert. In das Pontifikat Benedikts fällt auch die Einsetzung einer Evaluierungskommission für die Rekrutierung von Laienpersonal (CIVA), welche dem Staatssekretariat zugeordnet ist.
Auch im Bereich des Bildungswesens und der Mission gab es in der Amtszeit Benedikts wichtige Änderungen. 2007 wurde durch einen Chirographen die Agenzia della Santa Sede per la Valutazione e la Promozione della Qualità delle Università e Facoltà Ecclesiastiche (AVEPRO) gegründet, deren Aufgabe die Bewertung und Verbesserung der Qualität von kirchlichen Hochschulen ist. 2010 wurde durch das Motu proprio Ubicumque et semper der Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung errichtet. 2012 folgte durch das Motu proprio Latina Lingua die Päpstliche Akademie für die lateinische Sprache, welche dem Päpstlichen Rat für die Kultur unterstellt ist. Mit dem Motu proprio Ministrorum institutio wurde 2013 die Zuständigkeit für Seminare von der Kongregation für das katholische Bildungswesen an die Kleruskongregation übertragen. Im gleichen Jahr erfolgte durch das Motu proprio Fides per doctrinam die Übertragung der Zuständigkeit für die Katechese von der Kleruskongregation an den Päpstlichen Rat zur Förderung der Neuevangelisierung.
Schon Benedikt musste sich mit dem Thema Geldwäsche und anderen illegalen Aktivitäten im Umfeld des Apostolischen Stuhls beschäftigen. So erließ er 2010 durch das Motu proprio La Sede Apostolica ein Gesetz zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung und errichtete dazu die Autorità di Informazione Finanziaria (AIF). Papst Franziskus kann bei seiner Kurienreform auf diese ersten Bausteine Benedikts zurückgreifen und ist auch aktuell dabei die Finanz- und Wirtschaftskontrolle des Heiligen Stuhls weiter auszubauen.
Gerichtswesen
Der Papst ist der oberste Gerichtsherr in der Katholischen Kirche (vgl. can. 333 § 3). In dieser Funktion erließ Benedikt durch das Motu proprio Antiqua ordinatione 2008 eine neue Gerichtsordnung für die Apostolischen Signatur. Mit dem Motu proprio Quaerit semper wurde 2011 die Zuständigkeit für eheliche Nichtvollzugsverfahren sowie für Weihenichtigkeitsverfahren von der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung auf ein neu eingerichtetes Amt an der Römischen Rota übertragen. Ebenso wurden per Rescriptum die Vollmachten des Dekans der Römischen Rota neu geregelt und Sondervollmachten für Ehenichtigkeitsverfahren an der Rota erteilt.
Schon 2001 erließ Papst Johannes Paul II. das Motu proprio Sacramentorum sanctitatis tutela, durch welches die Vollmachten der Kongregation für die Glaubenslehre bei delicta graviora geregelt werden. Papst Benedikt aktualisierte 2010 per Rescriptum die Normae de gravioribus delictis. Auch Papst Franziskus nahm schon mehrfach Aktualisierungen dieser Normen vor.
Für großen medialen Wirbel sorgte 2009 die Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius X., welche 1988 ohne päpstlichen Auftrag von Erzbischof Marcel Lefebvre geweiht wurden. Auch wenn die Aufhebung formell durch Dekret der Kongregation für die Bischöfe geschah, ist sie doch durch Gewährung einer Sondervollmacht auf Wunsch Benedikts geschehen. Der durch die Aufhebung begonnene Dialog mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. ist bis heute nicht abgeschlossen.
Universalgesetzgebung
In seiner Stellung als universalkirchlicher Gesetzgeber hat Papst Benedikt wichtige Reformen angestoßen und fortgeführt. So wurde die Apostolische Konstitution Universi Dominici gregis von Johannes Paul II. gleich zweimal geändert. Zuerst 2007 mit dem Motu proprio Constitutione apostolica durch welches festgelegt wurde, dass für die Wahl des Papstes immer eine Zweidrittelmehrheit erforderlich sein muss. 2013 erfolgte dann durch das Motu proprio Normas nonnullas eine erneute Änderung bezüglich des Beginnes des Konklaves und der Strafen bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht.
Mit dem Motu proprio Omnium in mentem wurden 2009 fünf Canones des CIC geändert, dadurch wurden die Auswirkungen des formalen Glaubensabfalls neu geregelt und die Kompetenzen der drei Weihestufen des Ordo klarer erfasst.
Mit dem Motu proprio Intima Ecclesiae natura von 2012 wurde ein normativer Rahmen für caritative Vereinigungen geschaffen.
Partikulargesetzgebung
Can. 333 § 1 CIC/83 normiert, dass der Papst nicht nur für die Gesamtkirche, sondern auch über alle Partikularkirchen und deren Verbände ordentliche Gewalt ausüben kann. Auch davon hat Papst Benedikt Gebrauch gemacht. Gleich zu Beginn seines Pontifikats setzte er 2005 mit dem Motu proprio L’antica e venerabile für die Basilika St. Paul vor den Mauern in Rom einen Erzpriester ein und regelte dessen Stellung gegenüber der dazugehörigen Benediktinerabtei. Im gleichen Jahr erfolgte durch das Motu proprio Totius orbis eine Neuordnung der Verhältnisse zwischen den beiden Basiliken und den dazugehörigen Klöstern in Assisi und der Diözese Assisi-Nocera Umbra-Gualdo Tadino.
Beitrag: Diego Lopez