Motu proprio – Zur Sorgfaltspflicht der Bischöfe

Das Bild zeigt die Kuppel des Petersdoms in Rom.

Am 4. Juni 2016 hat Papst Franziskus ein Apostolisches Schreiben motu proprio erlassen, das mit den Worten „Come una madre amorevole“ – „Wie eine liebende Mutter“ – beginnt.

Das Motu proprio baut auf dem von Papst Johannes Paul II. 2001 erlassenen und von Papst Benedikt XVI. 2010 geänderten Motu proprio „Sacramentorum sanctitatis tutela“ auf und regelt die Amtsenthebung von Bischöfen, Eparchen und den ihnen gleichgestellten Amtsträgern.

Formalia

Das Schreiben ist in eine Einleitung, fünf Artikel und eine Schlussbestimmung gegliedert.

Es ist auf den 4. Juni 2016 datiert.

Papst Franziskus hat – abweichend von der in can. 8 § 1 CIC als primäre Promulgationsweise vorgesehenen Promulgation in den Acta Apostolicae Sedis – bestimmt, dass das Motu proprio im L’Osservatore Romano promulgiert wird. Zusätzlich soll das Motu proprio in den Acta Apostolicae Sedis publiziert werden.

Als Datum des Inkrafttretens hat der Papst den 5. September 2016 festgelegt.

Gesetzessystematisch handelt es sich bei dem Motu proprio um ein universalkirchliches Gesetz, das evtl. entgegenstehende Rechtsnormen außer Kraft setzt. Es gilt sowohl für den lateinischen wie für den orientalischen Rechtskreis.

Inhalt

Einleitung

In seiner Einleitung bekennt sich das Motu proprio deutlich zur Verantwortung der Kirche für die Schwachen und Verletzlichen und unterwirft insbesondere Kinder und schutzbedürftige Erwachsene der besonderen kirchlichen Sorge. Eine besondere Sorgfaltspflicht beim Schutz der Kinder und der schutzbedürftigen Erwachsenen haben die Diözesanbischöfe, die Eparchen und diejenigen, die ihnen rechtlich gleichgestellt sind. Diese müssen – so der Papst in der Einleitung – eine besondere Sorgfalt beim Schutz derjenigen walten lassen, die besonders schwach sind.

Außerdem verdeutlicht die Einleitung, dass das Motu proprio an die vorhandenen Bestimmungen über die Amtsenthebung (insbesondere can. 193 § 1 CIC und can. 975 § 1 CCEO) anknüpft und unter die dort genannten causae graves auch die Verletzung der Sorgfaltspflicht etwa eines Diözesanbischofs fällt, besonders im Hinblick auf Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und schutzbedürftigen Erwachsenen.

Artikel 1

Artikel 1 legt Voraussetzungen für die Amtsenthebung eines Diözesanbischofs, eines Eparchen und den ihnen gleichgestellten Amtsträgern fest.

§1 bestimmt allgemein, dass ein Diözesanbischof oder diesem Gleichgestellter seines Amtes rechtmäßig enthoben werden kann, wenn er durch Nachlässigkeit Akte gesetzt oder deren Setzung unterlassen hat, wodurch ein schwerwiegendes Übel für Dritte hervorgerufen worden ist.

§2 konkretisiert die Voraussetzung für die Amtsenthebung. Diese ist nur möglich, wenn es sich objektiv um eine besonders schwerwiegende Verletzung der Sorgfaltspflicht handelt. Nicht erforderlich ist dagegen, dass sich der betreffende Diözesanbischof oder der ihm Gleichgestellte moralisch schuldig gemacht hat.

§3 schränkt § 2 insofern ein, als es im Falle eines Missbrauchs Minderjähriger oder schutzbeürftiger Erwachsener genügt, dass die Verletzung der Sorgfaltspflicht schwerwiegend ist; eine besonders schwerwiegende Sorgfaltspflichtverletzung wird in diesen Fällen also nicht verlangt.

§4 stellt die Höheren Oberen von Religioseninstituten und Gesellschaften des apostolischen Lebens den Diözesanbischöfen gleich. Die Bestimmungen des Motu proprio gelten daher auch für diese Höheren Oberen.

Artikel 2

Artikel 2 beschäftigt sich mit der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens und dem Verteidigungsrecht des Beschuldigten.

§1 ermächtigt die zuständige Kongregation der römischen Kurie zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, wenn ernsthafte Hinweise dafür vorhanden sind, dass ein Diözesanbischof, ein ihm rechtlich Gleichgestellter oder ein Höherer Ordensoberer einen schwerwiegenden bzw. besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht im Sinne des Artikels 1 des Motu proprio begangen hat. Die Kongregation informiert den Beschuldigten und gibt ihm die Gelegenheit, Dokumente und Aussagen zu seiner Entlastung beizubringen.

In § 2 wird das Verteidigungsrecht des Beschuldigten näher erläutert. Dieser kann alle rechtlich vorgesehenen Mittel zu seiner Verteidigung nutzen, wird über alle Ermittlungsschritte informiert und hat jederzeit die Möglichkeit, die Oberen der ermittelnden Kongregation zu treffen. Sofern der Betroffene nicht von sich aus die Initiative zu einem solchen Treffen ergreift, setzt die Kongregation selbst ein solches Treffen fest.

§3 gibt der Kongregation die Möglichkeit, aufgrund der durch den Beschuldigten vorgebrachten Argumente eine ergänzende Untersuchung durchzuführen.

Artikel 3

Artikel 3 regelt die unmittelbare Vorbereitung der Beschlussfassung und die formalen Rahmenbedingungen für die Beschlussfassung der ermittelnden Kongregation.

§1 eröffnet der ermittelnden Kongregation die Möglichkeit, bevor sie eine Entscheidung trifft, den Fall mit anderen Bischöfe der Bischofskonferenz oder der Synode der Bischöfe einer Kirche eigenen Rechtes, der der Beschuldigte angehört, zu erörtern.

§2 schreibt die Beschlussfassung der Kongregation im Rahmen einer ordentlichen Sitzung der Kongregation vor.

Artikel 4

Artikel 4 bestimmt die abschließenden Verfahrensschritte der Kongregation.

Artikel 4 regelt die weiteren Verfahrensschritte der Kongregation, sofern diese die Amtsenthebung des Beschuldigten für tunlich hält. In diesem Fall entscheidet die Kongregation, ob sie das Dekret zur Amtsenthebung erlässt oder ob sie den Beschuldigten auffordert, den Verzicht auf sein Amt anzubieten. Für die Entscheidung des Beschuldigten ist eine Frist von 15 Tagen vorgesehen. Sofern der Beschuldigte nicht innerhalb der Frist den Verzicht auf sein Amt erklärt, kann die Kongregation das Dekret zur Amtsenthebung erlassen.

Artikel 5

Artikel 5 unterwirft bestimmte Entscheidungen der ermittelnden Kongregation der Approbationspflicht durch den Papst.

Außerdem unterwirft Artikel 5 die Entscheidungen der Kongregation gemäß Artikel 3 und 4 der Approbation in forma specifica des Papstes. Der Papst selbst beruft sich vor seiner eigenen Entscheidung ein Kollegium von Juristen ein, das zu diesem Bedarf gebildet wird.

Schlussbestimmungen

Im Anschluss an Artikel 5 findet sich der Promulgationsbefehl, der in diesem Fall bestimmt, dass das Motu prorio in der Tageszeitung L’Osservatore Romano promulgiert und zusätzlich im amtlichen Publikationsorgan des Apostolischen Stuhls, den Acta Apostolicae Sedis publiziert werden soll. Außerdem legen die Schlussbestimmungen fest, dass die Bestimmungen des Motu proprio unbedingte Beachtung verlangen; andere – entgegenstehende – Bestimmungen verlieren damit ihre Geltung. Den Tag des Inkrafttretens des Motu proprio hat der Papst auf den 5. September 2016 festgesetzt.

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Originaltext des Motu proprio