Die Sala Stampa della Santa Sede hat am 17.12.2019 zwei Rescripte ex audientia SS. veröffentlicht, welche das päpstliche Geheimnis und die Normae de gravioribus delictis betreffen. Beide wurden am 18.12.2019 durch Publikation im L’Osservatore Romano promulgiert, eine Veröffentlichung in den Acta Apostolicae Sedis ist geplant.
Änderungen bei Verschwiegenheitspflichten und den Normae de gravioribus delictis
Papst Franziskus hat in einer Instruktion, welche mit sofortiger Wirkung in Kraft tritt, das „päpstliche Geheimnis“ in Fällen, in welchen es um den Missbrauch Minderjähriger durch katholische Geistliche, beziehungsweise um die Vertuschung solcher Taten geht (vgl. Motu Proprio „Vos estis lux mundi“ Art. 1; Normae de gravioribus delictis Art. 6), auf die Ebene des Amtsgeheimnisses herabgestuft. Das Amtsgeheimnis entbindet, im Gegensatz zum päpstlichen Geheimnis, nicht von Verpflichtungen durch staatliche Gesetze, also zum Beispiel einer Meldepflicht von Missbrauchsfällen und hindert nicht an der Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden. Wenn daher in staatlichen Gesetzen Meldepflichten bei Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs festgelegt sind, können solche Meldungen künftig nicht mehr unter Verweis aus das „päpstliche Geheimnis“ unterbleiben. Ebenso kann Informanten, Opfer und Zeugen bei kirchlichen Verfahren künftig keine Verpflichtung zum Stillschweigen mehr auferlegt werden.
Dokumente werden der staatlichen Justiz zugänglich gemacht
Konkret geht es um Berichte, Dossiers und Prozessakten zu Missbrauchsfällen. So können nun beispielsweise Zeugenaussagen, welche sich in Dokumenten befinden, die bisher unter dem päpstlichen Geheimnis in Archiven des Vatikans oder der Bistümer verwahrt wurden, der staatlichen Justiz zugänglich gemacht werden. Sofern solche Unterlagen bei römischen Dikasterien vorliegen, muss dazu ein internationales Rechtshilfeersuchen gestellt werden, bei diözesanen Akten können sich die Untersuchungsrichter dazu direkt an den zuständigen Bischof wenden. Etwaige Sonderregelungen aus den Konkordaten bleiben davon unberührt.
Kritiker bemängelten bisher, dass bei Missbrauchsfällen die Täter durch das päpstliche Geheimnis vor der Verfolgung durch die staatlichen Autoritäten geschützt und der Vertuschung dieser Straftaten Vorschub geleistet würde. Daher ist es in den vergangenen Jahren immer wieder zu polizeilichen Durchsuchungen von Kircheneinrichtungen gekommen, etwa in Belgien, den USA und Chile.
Nachvollziehbarkeit und Transparenz gefordert
Beim Bischofstreffen zum Schutz von Minderjährigen im Februar 2019 forderte unter anderem Kardinal Reinhard Marx mehr Nachvollziehbarkeit und Transparenz von Verwaltungsvorgängen. Gerade durch ein transparentes Verfahren werden ein faires Urteil und die Rehabilitierung eines zu Unrecht Beschuldigten sichergestellt. Daher sollten die Grenzen des päpstlichen Geheimnisses neu abgesteckt werden. Im Mai hatte Franziskus dann mit dem Motu proprio „Vos estis lux mundi“ für alle Bistümer weltweit angeordnet, jeden Missbrauchsfall anzuzeigen und staatliche Ermittlungen zu unterstützen. Außerdem müssen alle Diözesen Meldestellen für Missbrauch einrichten.
Schutz der Persönlichkeitsrechte
Mit dem „päpstlichen Geheimnis“ geschützte Rechts- und Verwaltungsakte dürfen niemandem, der nicht unmittelbar an dessen Entstehung oder weiterer Bearbeitung beteiligt ist, offengelegt oder bekannt gemacht werden, dies gilt zum Beispiel bei der Bestellung von Bischöfen. Entscheiden, ob etwas unter das „päpstliche Geheimnis“ fallen soll, können neben dem Papst auch die Kardinalpräfekten als Leiter der römischen Dikasterien, sowie die päpstlichen Gesandten. Bei Verletzung des „päpstlichen Geheimnisses“ wird die Strafe durch eine eigens zu bildende Kommission festgelegt (vgl. AAS, Nr. 66 (1974), S. 89-92). Grundsätzlich geht es dabei vor allem um den Schutz von Persönlichkeitsrechten. Die Aufhebung des päpstlichen Geheimnisses bedeutet nicht, dass die entsprechenden Akten zur Veröffentlichung bestimmt sind. Da sie immer noch dem Amtsgeheimnis unterliegen, sollen sie weiterhin so behandelt werden, dass der gute Ruf, das Ansehen und die Privatsphäre aller Beteiligten gewahrt bleiben. Kanon 1457 des CIC legt fest, dass Gerichtspersonen, welche das Amtsgeheimnis verletzt haben, mit entsprechenden Strafen, einschließlich der Absetzung vom Amt, bestraft werden können.
In einem weiteren Reskript wurden einige Änderungen an den Normae de gravioribus delictis vorgenommen, welche zum 01.01.2020 in Kraft treten.
So wurde Artikel 6 § 1 Nr. 2 verschärft. Diese Norm stellt den Erwerb, die Aufbewahrung und die Verbreitung von kinderpornografischem Material durch Kleriker unter Strafe, die Altersgrenze wurde hier von 14 auf 18 Jahre angehoben.
Wegfall der Verpflichtung zur Wahl eines Priesters als Anwalt
Ebenfalls wurden Artikel 13 und 14 abgeändert. Laien mit einem Doktorgrad im kanonischen Recht können nun in Verfahren, welche die delicta graviora betreffen, sowohl als Anwälte wie auch als Prozessbevollmächtigte auftreten, dazu müssen sie vom Vorsitzenden Richter bestätigt werden. Alle weiteren Beteiligten dieser Verfahren müssen weiterhin Priester sein.
Beitrag: Diego Lopez