Traditionis custodes und Responsa ad dubia –
Am 16.07.2021 wurde im L’Osservatore Romano das Motu proprio Traditionis custodes promulgiert, welches am gleichen Tag in Kraft trat. Am 04.12.2021 wurden von der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung dazu Responsa ad dubia veröffentlicht, welche die päpstliche approbatio erhalten haben.
Motivation zu Traditionis custodes
Papst Franziskus hat dem Motu proprio einen Brief beigefügt, in welchem er die bisherige Entwicklung der Normen zum Gebrauch des traditionellen römischen Ritus und die Gründe für die Neuordnung darlegt. Unter anderem schreibt Franziskus, dass der ursprüngliche Sinn dieser Normen darin lag, die Einheit der Kirche wiederherzustellen. Durch die im Jahr 2020 von der Glaubenskongregation durchgeführte weltweite Umfrage zur Umsetzung der Normen von Summorum Pontificum sei eine Situation offenbart worden, in welcher die Normen nicht dazu genützt würden, die Einheit wiederherzustellen, sondern im Gegenteil die Spaltungen voranzutreiben. Franziskus sieht einen Zusammenhang zwischen der Wahl der liturgischen Bücher und der Ablehnung der Lehre des II. Vaticanums. Daher sei er gezwungen einzugreifen und die von seinen Vorgängern gewährten Befugnisse in Teilen zu widerrufen. Auch sollen sich die Bischöfe für die Rückkehr zu einer einheitlichen Zelebrationsform einsetzen und die Gläubigen, welche bisher in der alten Form des römischen Ritus beheimatet sind, zur neuen Form des Ritus zurückkehren. Zugleich sollen die Bischöfe darüber wachen, dass jede Liturgie mit Würde und Treue gegenüber den liturgischen Büchern gefeiert wird, ohne Exzentrizitäten, welche leicht in Missbräuche ausarten.
Entwicklung der Normen zum Gebrauch des traditionellen römischen Ritus
Bereits 1984 ermöglichte die Gottesdienstkongregation mit dem Brief Quattuor abhinc annos (AAS 76 [1984], S. 1088f.) den Diözesanbischöfen durch Indult Priestern die Feier der Messe nach dem Messbuch von 1962 zu gestatten. Nach den schismatischen Bischofsweihen durch Erzbischof Marcel Lefebvre wurde von Johannes Paul II. mit dem Motu proprio Ecclesia Dei vom 02.07.1988 (AAS 80 [1988], S. 1495-1498) die gleichnamige Kommission eingesetzt. Diese sollte sich den Gläubigen widmen, welche sich der traditionellen Form der römischen Liturgie verbunden fühlten, jedoch nicht den Bruch mit Rom durch die unerlaubten Bischofsweihen mitvollzogen. Benedikt XVI. erlies durch das Motu proprio Summorum Pontificum (AAS 99 [2007], S. 777-781) allgemeine Normen zum Gebrauch der traditionellen Form. Die Kommission Ecclesia Dei wurde von Papst Franziskus durch das Motu proprio Da oltre vom 17.01.2019 aufgelöst (OR, 20.01.2019, S. 7). Mit dem nun erfolgten Motu proprio Traditionis custodes (TC) ersetzt Franziskus Summorum Pontificum (SP).
Lex orandi – Lex credendi
Schon im ersten Artikel des neuen Motu proprio findet sich eine deutliche Neuausrichtung. Heißt es noch in Art. 1 SP, dass das von Johannes XXIII. herausgegebene Messbuch „als außerordentliche Ausdrucksform derselben „Lex orandi“ der Kirche zu gelten“ hat, so schreibt Franziskus in Art. 1 TC, dass die liturgischen Bücher von Paul VI. und Johannes Paul II. der einzige Ausdruck der lex orandi des römischen Ritus seien.
Art. 3 § 1 von TC verpflichtet den Bischof dazu, dafür Sorge zu tragen, dass die Gruppen, welche das Messbuch von 1962 weiterhin benutzen möchten, die Gültigkeit und Legitimität der Liturgiereform des II. Vaticanums sowie des päpstlichen Lehramtes nicht ausschließen. Sollte ein Priester die Gültigkeit und Legitimität der Konzelebration nicht anerkennen, so kann ihm gemäß der erlassenen Responsa keine Erlaubnis zur Nutzung des Missale Romanum von 1962 erteilt, bzw. muss diese Erlaubnis widerrufen werden.
Entscheidungsbefugnisse des Bischofs
Nach can. 838 § 4 CIC steht es dem Diözesanbischof zu, in der ihm anvertrauten Partikularkirche, in den Grenzen seiner Zuständigkeit, eigene liturgische Normen zu erlassen. Dieser Norm gemäß, werden mit TC nun die Entscheidungsbefugnisse des Diözesanbischofs in Bezug auf den Gebrauch des vetus ordo deutlich gestärkt.
Art. 2 SP legte fest, dass jeder katholische Priester des lateinischen Ritus das Messbuch von 1962 gebrauchen konnte und dazu weder die Erlaubnis des Apostolischen Stuhls noch die seines Ordinarius brauchte. Art. 2 TC und die Responsa normieren nun, dass es in der ausschließlichen Kompetenz des Diözesanbischofs liegt, den Gebrauch des Messbuchs von 1962 zu genehmigen und diese Genehmigung nur im Gebiet seiner Diözese gilt. Art. 5 TC legt fest, dass alle Priester, welche bereits nach dem Messbuch von 1962 zelebrieren, den Diözesanbischof um Erlaubnis bitten müssen, dies weiterhin tun zu dürfen. Gemäß den Responsa kann der Bischof diese Erlaubnis unbefristet oder ad tempus erteilen. Nach Art. 4 TC und den erläuternden Responsa, darf der Diözesanbischof Priestern, welche erst nach der Veröffentlichung von TC geweiht werden, diese Erlaubnis nur erteilen, wenn er dazu zuvor die Genehmigung durch die Gottesdienstkongregation erhalten hat. Gleiches gilt auch für Diakone und andere, welche einen liturgischen Dienst in einer Messfeier nach dem Missale von 1962 ausüben, auch diese benötigen die Erlaubnis des Diözesanbischofs. Sollte ein Priester, dem die Nutzung des Missale von 1962 gestattet ist, abwesend oder verhindert sein, so muss derjenige Priester, der ihn vertreten möchte, ebenfalls eine formale Berechtigung erhalten haben.
Art. 5 § 1 SP verpflichtete die Pfarrer dazu, die Bitten der Gruppen von Gläubigen, die der früheren liturgischen Tradition anhängen, bereitwillig aufzunehmen. In Art. 3 § 6 TC wird vom Bischof gefordert, neuen Gruppen von Anhängern der traditionellen Form keine kirchenrechtliche Anerkennung mehr zu gewähren.
Art. 10 SP ermöglichte es dem Ortsordinarius, für die Feiern nach der älteren Form Personalpfarreien nach can. 518 CIC zu errichten. Nach Art. 3 § 2 TC ist dies ausdrücklich nicht mehr erlaubt. Die bestehenden Personalpfarreien sollen nach Art. 3 § 5 einer Nützlichkeitsbewertung unterzogen und, je nachdem wie diese ausfällt, beibehalten oder aufgelöst werden..
Art. 2 SP erlaubte es an jedem Tag des Jahres, außer während des Triduum Sacrum, die Messe nach dem Messbuch von 1962 zu feiern. Nach Art. 3 § 3 TC liegt es in der Kompetenz des Bischofs die Tage festzulegen, an denen Eucharistiefeiern nach dem Messbuch von 1962 möglich sind. Ebenso ist es nach Art. 3 § 2 TC Sache des Bischofs die Orte zu benennen, an denen sie die Gläubigen zur Feier der Eucharistie nach der früheren Form versammeln können. Pfarrkirchen sind davon zwar ausgenommen, allerdings wurde im Rahmen der gestellten dubia dem Bischof die Möglichkeit eingeräumt, die Gottesdienstkongregation um eine Ausnahme von dieser Bestimmung zu bitten, wenn sich sonst keine anderen Kirchen, Oratorien oder Kapellen finden lassen. In der erläuternden Note wird darauf hingewiesen, dass Messen in der alten Form jedoch nicht in die Gottesdienstordnung der betreffenden Gemeinde aufgenommen werden oder sich mit anderen pastoralen Aktivitäten der betreffenden Gemeinde überschneiden dürfen, da es sich nur „um ein Zugeständnis aus Sorge um ihr Wohl handelt und nicht um eine Gelegenheit, den vorherigen Ritus zu fördern.“
Festlegung auf die Volkssprache
Nach Art. 6 SP war es freigestellt, ob die Lesungen auf Latein oder in der Volkssprache verkündet werden. Gemäß Art. 3 § 3 TC müssen die Lesungen nun in der Volkssprache verkündet werden. Dabei ist die Übersetzung der Heiligen Schrift zu verwenden, welche von der betreffenden Bischofskonferenz für den liturgischen Gebrauch approbiert wurde.
Keine Bination möglich
Im Rahmen der dubia wurde die Frage gestellt, ob es einem Priester erlaubt sei, zusätzlich zu einer Messe in der neuen Form, am gleichen Tag auch eine weitere Messe nach dem Missale von 1962 zu feiern. Die Gottesdienstkongregation hat diese Frage mit Bezug auf can. 905 § 2 CIC verneint. Der genannte Canon erlaubt dem Ortsordinarius, im Falle eines Priestermangels, seinen untergebenen Priestern die Bination, an Sonn- und Feiertagen auch die Trination zu erlauben. Im Falle einer Messfeier der alten Form liegt jedoch weder ein gerechter Grund noch eine seelsorgliche Notlage vor, welche diese Erlaubnis rechtfertigen würde, denn die Gläubigen haben ja die Möglichkeit an der Messfeier der neuen Form teilzunehmen.
Beauftragter des Bischofs
Nach Art. 10 SP war es dem Ortsordinarius möglich, eigene Personalpfarreien für die Anhänger der alten Form zu errichten, diese wurden dann von Personalpfarrern geleitet. Ebenso konnte der Ortsordinarius Rektoren, bzw. Kapläne für deren Betreuung ernennen. Art. 5 § 4 SP formulierte ganz allgemein, dass die Priester, welche die Messe nach dem Messbuch von 1962 feiern möchten, dafür geeignet und von Rechts wegen nicht daran gehindert sein dürfen. Art. 3 § 4 TC schreibt nun vor, dass der Bischof einen Priester damit zu beauftragen hat, sich um die Feiern und die seelsorgliche Betreuung der Gruppen zu kümmern, welche der alten Form anhängen. Dieser Priester soll den Gebrauch des Missale von 1962 beherrschen und über genügend Lateinkenntnisse verfügen, um die Rubriken und liturgischen Texte vollständig zu verstehen.
Zuständigkeit der Dikasterien
Mit dem Motu proprio Ecclesiae unitatem vom 02.07.2009 (AAS 101 [2009], S. 710f.) ordnete Benedikt XVI. die Kommission Ecclesia Dei der Glaubenskongregation als 4. Sektion zu. Somit war diese Sektion für alle Belange, welche die Nutzung des Missale von 1962 betraf, zuständig. Diese Zuständigkeit wurde durch TC nun geändert. Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des Apostolischen Lebens, welche von der Kommission Ecclesia Dei errichtet wurden und bisher der Glaubenskongregation anvertraut waren, fallen nach Art. 6 TC nun in die Zuständigkeit der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des Apostolischen Lebens. In Art. 7 TC wird explizit die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung als Autorität für die Angelegenheiten ihres Zuständigkeitsbereiches genannt. Somit ist diese Kongregation von nun an auch für alle liturgischen Belange der alten Form des römischen Ritus zuständig. Die Glaubenskongregation bleibt weiterhin für Fragen doktrineller Natur zuständig.
Abrogation aller entgegenstehenden Normen
Im begleitenden Brief schreibt Franziskus, dass es sein Entschluss sei, alle Normen, Anweisungen, Zugeständnisse und Gebräuche, welche TC vorausgehen, aufzuheben. Nach Art. 8 TC werden jedoch nur jene Normen, Anweisungen, Zugeständnisse und Gebräuche abrogiert, welche nicht mit den Normen von TC übereinstimmen. In den dubia wird dazu weiter ausgeführt, dass dies für die Spendung aller Sakramente gilt. Ausgenommen davon sind Personalpfarreien, diese dürfen zwar das Rituale Romanum von 1952 verwenden, nicht jedoch das Pontificale Romanum. Zugleich wird darauf hingewiesen, dass Papst Paul VI. mit der Apostolischen Konstitution Divinae consortium naturae 1971 die Formel für die Spendung der Firmung in der gesamten lateinischen Kirche geändert hat. Unklar bleibt aber weiterhin die Gültigkeit der Normen der vorausgehenden Erlasse, welche zwar nicht in TC geregelt werden, aber den Normen von TC auch nicht entgegenstehen, wie z.B. die Erlaubnis, das Stundengebet nach dem Brevier von 1962 zu verrichten (vgl. SP, Art. 9 § 3).
Link Traditionis custodes
Link zum begleitenden Brief
Link Summorum Pontificum
Beitrag: Diego Lopez